
Im südwestlichen Tessin steht einen rabenschwarze Palme und das habe ich zu verantworten. Wer konnte denn auch wissen, dass sich dieses Zeug quasi fast von selbst entzündet und überhaupt. Ich bin kaum mit dem Feuerzeug drangekommen. Ehrlich. Weil eigentlich wollten Rebekka und ich nur dieses Wespennest am Stamm anschauen und gucken, ob man das vielleicht ausräuchern …
Das Wespennest war erst im Anfangsstadium, hing auf Augenhöhe und war grad leer. Ich hielt sachte das Feuerzeug dran, und noch ehe Jenny «Nein!» fertig geschrien hatte, machte es schon Zawasch! Zawaschwasch! Zazizaziwasch! In drei Etappen und innert Nanosekunden stand die sechs Meter hohe Palme in Vollbrand.
Fünf Frauen und ein Teenie
Ich schrie und versteckte das Feuerzeuge hinter meinem Rücken. Rebekka und Bea schrieen, während sie sich am Gartenschlauch zu schaffen machten, bloss um festzustellen, dass beide Enden am Wasserhahn angemacht waren und einen vollendeten Kreislauf bildeten. Derweil schrie Judith ins Handy nach der Feuerwehr und Jenny schrie, es sei nicht, die 117 sondern die 118. Oder 999 oder 911. So genau wusste das grad keine. Und wie lautet überhaupt die Adresse hier? Reeeeebbbbbiiiii! Rebi schrie: Palmen sind kein Brennholz! Palmen sind kein Brennholz! Palmenholz brennt nicht im Ofen!
Die Palme vielleicht nicht, aber diese Sisalhaare am Stamm sind wie Zunder. Und besagte Palme stand genau am hölzernen Stützpfeiler der Pergola. An der Wand daneben ein furztrockener Weinstock. Eine sieben Meter hohe Fackel im dunklen Abendhimmel. Es sah aus wie Weihnachten. Ich sah das Ende nahen.
Stattdessen nahte ein Held. Aurel, der 14-jährige Nachbarsbub – kurze Hosen und Zahnspange – trat mit voll aufgedrehtem Schlauch seelenruhig durchs Gartentörchen und löschte die acht Meter Weihnachtsbeleuchtung innert Sekunden.
Judith bestellte die Feuerwehr wieder ab. Also eigentlich sagte sie nur «Ja». Die Dame am Telefon fragte schon beim Abhnehmen: «Sie brauchen die Pompieri nicht mehr, Signora?» Wahrscheinlich hatte sie auch schon gehört, dass sich neun Meter Palmen nicht als Brennholz eignen.


Haariges Business
Wir adoptierten Aurel, ich setzte ihn als meinen Universalerben ein und dann öffneten wir eine Flasche Wein, um den Schrecken runterzuspülen. Es dauerte keine halbe Stunde, da machte die erste einen dummen Spruch: «Sieht eigentlich besser aus, die Palme, in schwarz.» Die nächsten Tage sonderte das Weibervolk unermüdlich mässig lustige Scherze ab: «Ruth, wir machen ein Trend-Business: Palmen-Coiffeuse enthaart Ihren Garten. Wir werden reich!» «Ruth, in Goldau brannte ein Pissoir. Wo warst du letzte Nacht?» «Ruth, guck, diese Palme hat auch keine Haare mehr. Warst du hier?».
Nun. Die schwarze Palme ist immer noch zehn Meter gross und oben immer noch grün, als wäre nix gewesen. Der Efeu am Stamm hat nicht mal Russspuren. Trotzdem. Palme samt zugehörigem Haus gehört Rebekkas Gatten, Dr. Markus. Als Kinder- und Sportarzt und Vater von vier aufgeweckten Söhnen, ist er hart im Nehmen. Trotzdem war ich beunruhigt – und dem Schweigegelübde meiner Schwägerinnen traute ich keine Sekunde.
Zurecht. Aber ich hatte Glück. Dr. Markus trug die Nachricht mit Fassung. Und er wird in Zukunft nicht mehr tun, was er jahrelang tat: Genau neben der Palme grillieren. Wir kauften Held Aurel am Markt in Luino eine riesige Plastik-Wasserkanone – die er hocherfreut sofort an seiner Familie ausprobierte – und ich gab ihm einen Batzen mit der Auflage, den nach Kräften zu verjubeln.
Vorgestern, ich hatte die Angelegenheit von letzter Woche schon fast erfolgreich verdrängt und war einfach tamminomalfuckingbloody froh, hatte ich nicht den halben Malcantone abgefackelt, sass ich mit Mister G. im 13er Tram und erzählte arglos, Rebekka habe mir zwei Palmenkeimlinge mitgegeben. Darauf Mister G.: «Willst du effizienteres Abfackeln üben?» Ich befürchte, diese Sache wird noch eine Weile auf kleiner Flamme weitergeköchelt.
PS: Dieser Text entstand unter Zwang und nach ernstzunehmenden Drohungen von Seiten meiner Schwägerinnen, mich sonst von künftigen Weinhnachtsfestivitäten auszuschliessen. Ausserdem ist er Teil einer Reihe von Wiedergutmachungs-Massnahmen.
PPS: Keine von uns hatte die Geistesgegenwart, ein Video des Zwischenfalls zu drehen. Daran arbeiten wir, da weitere gemeinsame Tessin-Aufenthalte nicht ganz auszuschliessen sind.
Video zum Text: https://www.youtube.com/watch?v=It7107ELQvY
Hi hi hi so geil gschriibe. Da han ich jo öppis verpasst 🙂
Bravo, bravo super geschrieben. Ich hatte beim Lesen Tränen vor lachen in den Augen.
Ich freue mich schon auf unseren nächsten Tessinaufenthalt. Übrigens Dr. Markus erwähnte, auch er wäre gerne dabei gewesen, denn brennende Palme sieht man ja nicht alle Tage😉
Sehr geile Schreibe!