
Naturfreund: Elmar Wepper als Gärtner Schorsch in «Grüner wird’s nicht».
Elmar Wepper über bleibende Sehnsucht, Jugendwahnsinn und bayrische Grantler, die gar keine sind
Der Film: Gärtner Schorsch hat genug. Genug von Familie, Betrieb und Geldnöten. In die Enge getrieben, kapert er einen klapprigen Doppeldecker – und landet unversehens in einem neuen Leben. Die deutsche Komödie «Grüner wird’s nicht» läuft seit dem Wochenende in den Kinos. Ein ergreifendes, erheiterndes Roadmovie mit ein paar Klischees und einem unerwarteten Looping am Ende. Regie führt Oscarpreisträger Florian Gallenberger, Elmar Wepper spielt die Hauptrolle und gab letzte Woche in Zürich Interviews.
Der Mann: Elmar Wepper (74) ist bekannt aus TV-Serien («Polizeiinspektorat 1») und Synchronsprecher von Mel Gibson. Er bekam 2008 den deutschen Filmpreis als Bester Hauptdarsteller. 1974 hatte er in «Der Kommissar» die Nachfolge seines älteren Bruders Fritz als Assistent angetreten. Elmar Wepper holte aber nie für «Derrick» den Wagen.
Schorsch ist ein bayrischer Klischee-Grantler. Gibt es solche Typen überhaupt noch?
Elmar Wepper: Er ist kein Grantler. Er ist mürrisch und hat sich abgekapselt, nach dem Motto: Wenn einer richtig liegt, dann ich! Alle anderen sind die Deppen. Aber er hat ja auch gute Seiten, er hat ein Herz, er hat Träume. Und er schleppt seit vielen Jahren ein Trauma mit sich herum.
Und haut einfach ab
Ja, nicht aus Angst vor der Verantwortung, sondern in einer Kurzschlusshandlung, nimmt weder Geld noch sein Handy mit. Er hat ja nicht einmal einen Plan, wo er hinfliegen will. Und plötzlich öffnet er sich. Sein kindlich-naiver Traum bricht durch, als er sagt, er wolle zum Nordkap und ins Nordlicht hineinfliegen. Diese Flucht setzt eine Energie frei, er will das jetzt einfach mal ausprobieren und fliegen, fliegen, fliegen.
Wollten Sie auch schon einfach davonlaufen?
Nee! Natürlich gibt es Momente, wo man genug hat oder froh wäre, eine Stresszeit wäre vorbei. Aber unter der Prämisse, alles hinter mir zu lassen, nein. Nie.
Und Ihre unerfüllten Träumen?
Man muss sich nicht alle Träume erfüllen. Das wäre absurd, geradezu pervers. Ich bin der Meinung, dass die Qualität bestimmter Träume darin besteht, dass man sie sich eben grad nicht erfüllt. Die bleiben dann eine Sehnsucht. Und das ist schön, ohne unerfüllte Träume ist man leer.
Was tragen Sie als Sehnsucht mit sich herum?
Nichts Grosses, ich habe kleine Träume. Kürzlich bekam ich ein Buch wieder in die Finger: «Zu Fuss über die Alpen». Ich war bis vor nicht allzu langer Zeit ein fleissiger Berggänger und habe vor 50 Jahren auch in der Schweiz ein paar Viertausender gemacht: Strahlhorn, Weissmiess, Allalinhorn. Zu Fuss über die Alpen, von Garmisch-Partenkirchen nach Venedig oder so, von Hütte zu Hütte. Das ist so ein Traum. Aber er muss sich nicht erfüllen. Es ist einfach schön, wenn man ihn als Gedanken mit sich tragen kann. Ich fuhr mal mit dem Rad von München nach Venedig, ist auch schon länger her, aber es war fantastisch, das werd ich nie vergessen. Und ich habe noch eine fertig ausgearbeitete Tour parat, mit Höhenprofil und allem. Die geht mit dem Fahrrad über Kitzbühel und Cortina d’Ampezzo nach Triest. Leider hab ich es nie geschafft, sie tatsächlich zu machen. Und heute könnte ich es rein physisch nicht mehr. Das würd ich nicht mehr packen. Muss ich auch nicht. Das ist so einer der kleinen Träume, die mir gedanklich reichen.
In einer Szene im Film sagt die zwanzigjährige Philomena zu Ihnen, Sie seien ein alter Sack. Tut das weh?
Überhaupt nicht, sie liegt ja nicht verkehrt. Das dürfen Sie mir glauben, von solchen dümmlichen Eitelkeiten bin ich wirklich befreit. Wenn man zu extreme Ängste bekommt, weil man denkt, man ist alt und möchte jünger sein, dann macht man sich die Dinge wahnsinnig schwer. Schauen Sie, ich fühle mich ja gut. Aber mit 74 weiss man, dass man nicht sagen kann, in 15 Jahren mache ich da weiter, wo ich jetzt stehe. Ich weiss, dass ich einigermassen gut beieinander bin, ich weiss, das ist nicht selbstverständlich, ich freue mich darüber. Zu meinem 70. wurde ich gefragt, wie ich mich fühle. Ich sagte: ja, wie soll ich mich denn fühlen? Wie siebzig wahrscheinlich, wobei ich gar nicht genau weiss, wie man sich denn mit siebzig zu fühlen hat. Es ist doch nicht schlimm, siebzig zu sein, ich muss mich auch nicht wie ein Fünfzigjähriger fühlen, da lebe ich doch an meiner Biologie vorbei und setze mich unter Druck, weil ich dieses noch machen müsste und jenes können. Und dann vielleicht noch dynamisch und kräftig sein wie mit 35. Hilfe! Um Gottes willen!
Es hat also etwas Beruhigendes, wenn man sagen kann, ich bin siebzig, ich muss das nicht mehr können?
Ja. Das muss natürlich jeder mit sich selber ausmachen. Aber manche machen es sich schon unnötig schwer. Sicher kriegt man irgendwelche Zwicker und denkt sich, hoffentlich geht das wieder weg. Aber diese Panik, diese panische Angst, jünger wirken zu müssen, das ist ein wahnsinniger Stress, des is doch a Wahnsinn!
Bedauern Sie Dinge, die Sie nicht gemacht haben?
Ich war immer ein zögerlicher Mensch. Diese Zögerlichkeit hat mich aber auch geschützt, in gewisser Weise. Denn mindestens so wichtig wie im richtigen Moment Entschlossen zu sein, ist, herauszufinden, wie man gestrickt ist. Und danach zu leben. Es wäre verfehlt, aus einem zögerlichen Menschen, einen kühnen Helden machen zu wollen. Das bringt nichts.
Sie bekommen mit 74 immer noch tolle Rollen, wie jetzt dieser Schorsch.
Ja, das ist ein Privileg, das ich durchaus schätze und für das ich dankbar bin. Golf spielen und Schauspielern kann man zum Glück bis ins hohe Alter mit einer gewissen Ambition. Bis man selber nicht mehr mag. Oder bis man umfällt. Aber solange möchte ich nicht vor der Kamera stehen. Um Gottes willen.
Interview: Ruth Brüderlin
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