In der Schweiz leben 2,7 Millionen Legehennen. Ab und zu landet die eine oder andere in meinem Kochtopf. Dann ist sie aber tot und heisst nicht mehr Legehenne sondern Igor oder Jens. Nein! Dann heisst sie Suppenhuhn und schmeckt doppelt. Erstens als Suppe und zweitens als Fleisch. Die Zubereitung ist bubieinfach. Und weil Schweizer Legehennen schon nach etwa einem Jahr ausrangiert werden, ist ihr Fleisch von bester Qualität.
Würde jede Schweizer Familie, die Eier isst, auch ein Suppenhuhn – ein einziges – pro Jahr konsumieren, landete keine einzige ex-Henne in der Energiegewinnung. Etwa zwei Millionen Legehennen werden pro Jahr ihres Amtes enthoben, weil die Legeleistung nachlässt und es sich nicht lohnt, sie weiter durchzufüttern. Einige bekommen ein Zweitleben als Charcuterie, die meisten aber beschliessen ihr Dasein als Tiermehl, Brennstoff für Zementfabriken oder Rohmaterial in Biogas-Anlagen, die damit Strom erzeugen. Was für eine Verschwendung. Würden wir mehr Fleisch von Suppenhühnern statt von Poulets essen, müssten zudem 500 000 Mastküken weniger aufgezogen, gefüttert und geschlachtet werden.*
Krass, oder?
Auf jeden Fall ist der Verzehr von einheimischen Suppenhühnern sinnvoller, als ausländische Quälfleisch zu essen. Ich sage bewusst ausländisch, denn in der Schweiz ist Batteriehaltung seit 1982 verboten. Wir waren das erste Land der Welt, das ein solches Verbot einführte und ich finde das grossartig. Ich bin richtig stolz auf uns.
Man nehme: Eine Flasche Weisswein
Manchmal hege ich den Verdacht, dass ich gern Koche. Warum sonst fuhrwerke ich vorzugsweise am Samstag ab dem späten Nachmittag in der Küche herum? Als die Welt noch in Ordnung war, machte man sich um diese Zeit Gedanken über die Wahl des Outfits für das obligate Saturday Night Fever.
Heute bricht mein Fieber eher Freitagnacht aus, bei «Jamie und Jimmy’s Friday Night Feast», eine Kochsendung mit Jamie Oliver und seinem Kindergarten-Kumpel Jimmy Doherty. Das gucke ich eigentlich nur, weil am Freitag keiner meiner heiss geliebten englischen Krimis kommt, jedenfalls keiner, den ich nicht schon fünfmal gesehen hätte.
Ausserdem ist Kochen die Gelegenheit, gesellschaftlich legitimiert ganz allein in der Küche eine Flasche Weisswein zu öffnen, ohne dass einer «Altersalkoholismus!» schreit. Einer, der selbst grad ein Glas in der Hand hält.
Jamie Oliver ist Geschmackssache, und er ist in letzter Zeit noch heftiger als sonst in Verruf geraten. Ein paar seiner Restaurants gingen pleite und sein Lieferant deklarierte Gammelfleisch um. Für den Fleischskandal kann Oliver nichts. Und der Mann hat Meriten, an denen es nichts zu mäkeln gibt: Er und Buddy Jimmy legen sich mit einem ziemlich cleveren Konzept gegen Food Waste ins Zeug, also gegen das Vergeuden von mit viel Liebe erzeugten Lebensmitteln. Zum Beispiel ausrangierten Legehennen.
Die Zwei schreien nicht einfach Skandal!, sondern setzen Produzenten, Händler, Restaurateure und Verbraucher an einen Tisch und präsentieren Produkte oder Gerichte aus Rohmaterial, mit dem der kommune Brite nichts anzufangen weiss.
Auch Frau Gerold rettet die Welt
Ähnliches macht zur Zeit der Zürcher Lifestyle-Hot-Spot «Frau Gerolds Garten». Unter dem Titel «Rübis & Stübis» servieren sie bis Ende März 2018 Gerichte, für die sie von Nase bis Schwanz und von Kraut bis Wurzel alles verwursten: https://www.fraugerold.ch/de/news/ruebis–stuebis-vol-3
Den Auftakt macht Globus-Food-Scout Richi Kägi mit Milken, Fisch – und Variationen vom Suppenhuhn sowie Unmengen von einheimischem Gemüse. Ich habs probiert. Und legte ein Verhalten an den Tag, das an Mundraub grenzt. Nach jedem Gang mussten sie mir den Teller mit sanfter Gewalt entreissen, sonst hätte ich den mitverspeist. No waste on the next level sozusagen. Nur die Lasagne mit Selleriecreme an Stelle von Bechamel war nicht so mein Ding. Weil Sellerie generell nicht so mein Ding ist.
Nächste Woche kreiert eine Crew chez Frau Gerold Gourmetgerichte aus Insekten. Nun denn, wohlan, ihr Mutigen! Mein Beitrag zur Rettung der Welt beschränkt sich auf den Konsum von Suppenhühnern.
Tiefgekühlte Suppenhühner verkaufen Coop und Migros. Man muss sie nicht mal zuerst auftauen, sondern setzt sie direkt ins kalte Kochwasser. Frische und garantiert glückliche Vögel gibt es auf dem Markt oder beim Metzger. Aber Obacht: Es empfiehlt sich schnell nachzuschauen, ob nicht die Innereien in einem Plastiksack im Innern des Huhns mitgeliefert werden. Sonst riechts plötzlich komisch beim Kochen.
Das Rezept plus Video für Richi Kägis Deluxe-Huhn gibt es hier:
https://www.globus.ch/delicatessa/delicuisine/rezepte/sanft-gegartes-huhn
Mein Wald-und-Wiesen-Rezept für den Hausgebraucht geht so:
Suppenhuhn abspühlen und mit 3 Litern Wasser in einem Topf aufkochen. Dann nur noch – und das ist entscheidend, damit das Fleisch nicht zäh wird – unter dem Siedepunkt ziehen lassen. Etwa zwei, drei Stunden. Das kann das Huhn allein, Du kannst in der Zeit ja das Badezimmer putzen. Oder Spanisch lernen. Ich gebe zwei Lorbeerblätter, eine Hand voll Pfefferkörner und, sofern vorhanden, Gemüse-Rüstabfälle und ein Zweiglein Rosmarin ins Wasser. Aber kein Salz. Das kommt laut diversen Grossmüttern erst ganz am Schluss. Sonst trockne das Fleisch aus.
Der Vogel ist gar, wenn sich Haut und Fleisch leicht ablösen lassen. Heb ihn aus der Brühe und wenn er etwas erkaltet ist, Haut abziehen und mit den Händen das Fleisch von den Knochen lösen. Man kann es weiterverwenden wie Poulet, zum Beispiel mit Champignons als Geschnetzeltes oder eben so, wie ich es am liebsten mag: Lauwarm mit grüner Sauce. Dazu Peterli, Ruccola, Brunnenkresse und/oder was immer an Grünzeug da ist, mit gerösteten Pinienkernen, Parmesan und etwas Knoblauch sowie Olivenöl und Salz in den Mixer geben. Fertig.
Die Hühnerbrühe absieben und salzen (probieren!). Was man nicht grad braucht, wandert in den Tiefkühler. Ist praktisch für kühle Tage und Grippewellen, das Hühnerfett lässt die Schleimhäute abschwellen. Gut ist die Brühe auch bei akutem Hunger. Kleingeschnittenes Gemüse rein, zehn Minuten köcheln, e voilà, eine Gemüsesuppe. Oder nur Peterli, Schnittlauch, Flädli und einen Schuss Sherry rein. Mein aktueller Favorit.
Ein Suppenhuhn pro Jahr und Familie? Hey, ich schaff locker drei ganz alleine. Jamie und Jimmy, Herr Kägi und Frau Gerold dürfen stolz sein auf mich.
*Quelle: www.KAGfreiland.ch
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